
Miniaturausgaben von Profispieler*innen, die auf Mini-Tore spielen, kreischende Eltern am Spielfeldrand und der Spielmodus FUNiño. Zu einem üblichen Spieltag in der E‑Jugend gehören mittlerweile nicht nur alternative Spielformen, sondern auch Männer in schwarzen Anzügen, die sich Notizen machen und Visitenkarten verteilen. Sie nennen sich Spielerberater und tauchen im Nachwuchsbereich mittlerweile schon in den jüngsten Altersklassen auf, um potentielle Talente früh unter ihre Fittiche zu nehmen. Die Kritik daran ist groß. „Ich weiß nicht mehr, ob es noch um die Ausbildung von Spielern geht oder nur noch ums Geschäft“, sagte Volker Kersting, NLZ-Leiter des 1. FSV Mainz 05 bereits 2018 im Gespräch mit 11FREUNDE. Minderjährige würden wie Aktien behandelt werden, in die man investiert. Zudem arbeiten Berater oftmals mit unseriösen Methoden. Sie bedrängen die Spieler*innen über Facebook oder Instagram, werben mit Geld und Geschenken. „Das Thema wird in sämtlichen Fußballgremien kritisch diskutiert, und auch die meisten Vereine haben das Problem erkannt“, sagte Andreas Bornemann, der Sportchef vom FC St. Pauli der Süddeutschen Zeitung.
Der FC St. Pauli zieht daraus nun Konsequenzen und beendet als erster Verein im Profifußball die Zusammenarbeit mit Beratern im Nachwuchsbereich. Diese Regelung gilt für alle minderjährigen Spieler*innen des Vereins. Vertragsgespräche würden künftig nur noch mit den Spieler*innen und dessen engstem Umfeld geführt. St. Pauli möchte damit gegen die Kapitalisierung des Jugendfußballs vorgehen. „In diesen Altersstufen ergibt es für uns keinen Sinn, mit Beratern zusammen zu arbeiten“, sagt Benjamin Liedtke, St. Paulis NLZ-Leiter im Gespräch mit 11FREUNDE. Es sei fahrlässig, „externe Personen zu beauftragen, die gar nicht in den tagtäglichen Trainings- und Arbeitsprozessen der Spieler involviert sind“. Zudem würden Berater Spieler*innen oftmals unrealistische Versprechungen von einer Profikarriere machen. „Dafür ist es noch viel zu früh in diesem Lebensabschnitt.“
„Wir wollten keine Jugendspieler mehr aus ihren Familien rausreißen und bei uns ins Internat stecken“
Im Nachwuchsleistungszentrum von St. Pauli werden Spieler*innen von der U12 bis zur U19 trainiert und sollen langfristig an den Leistungsfußball herangeführt werden. Der Ausschluss von Beratern stellt dabei nur den letzten Schritt einer Umstrukturierung des Jugendfußballs beim Klub aus Hamburg dar. Das Projekt „Rebellution – ein anderer Jugendfußball ist möglich“ begann bereits vor zwei Jahren mit der Schließung des vereinseigenen Internats. Der Verein entschied sich dazu, keine internationalen Transfers mehr im Jugendbereich zu tätigen und nur noch Spieler*innen aus der Metropolregion Hamburg zu verpflichten. „Wir wollten keine Jugendspieler mehr aus ihren Familien nehmen und bei uns im Internat wohnen lassen“, sagt Liedtke. Ziel sei es, sich als Stadtteilverein um die Talente vor Ort zu kümmern.
Anschließend löste der Verein seine Scoutingabteilung im Jugendbereich auf, um „zurück zur eigentlichen Ausgangsbasis zu gehen, zurück zum Talentförderprogramm des DFB“, sagt Liedtke. „Es gibt bei uns keine Scouts mehr, die durch die Stadt oder das Land fahren, um Spieler zu sichten und versuchen zu verpflichten.“ Anschließend eröffnete St. Pauli die Abteilung „Fußballentwicklung“, deren Mitarbeiter*innen zu den Hamburger Amateurvereinen fahren, um dort die Trainer*innen fortzubilden und Kontakte herzustellen. Für jeden Verein ist diese alternative Arbeitsweise allerdings nicht möglich. „Wir sind in Hamburg mit zwei Nachwuchsleistungszentren in einer Großstadt in einer luxuriösen Situation. Wir haben ausreichend Sportvereine, von denen Spieler zu uns wechseln können.“
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