Ein Fußballfan kann nicht umhin, ein bisschen Spaß an Ulk-Überschriften in Boulevard-Zeitungen zu haben. Diese Mixtur aus aufgesetzter Entrüstung, Verhonepiepeln des Volksmundes und zugespitzter Nachricht macht schon Laune. Generationen von Nachgeborenen erzählen sich noch heute, dass die „Bild“ nach dem Sparwasser-Tor wütend titelte: „SO NICHT, HERR SCHÖN!“ Dabei sollen in der Hamburger Redaktion die Korken geknallt haben, als die BRD der DDR den Vortritt ließ, in der Zwischenrunde der WM 1974 gegen Holland, Brasilien und Argentinien zu spielen, anstatt wie der brave Gastgeber gegen Jugoslawien, Schweden und die tapferen Polen ran zu müssen – und Weltmeister zu werden.
Aber auch die Boulevard-Schlagzeilen haben sich verändert: 1990 hieß es nach dem Sieg im Achtelfinale gegen die Niederlande wiedervereinigt teutonisch „BETROGEN, BESPUCKT UND TROTZDEM GESIEGT. DANKE JUNGS!“. Da war aber zumindest noch eine gehörige Spur Trägerhemd und Bierflasche mit drin. Eine Eruption hin zum Love-Parade-Jargon zeigte sich dann erst im vergangenen Jahr, als es hingerissen patriotisch hieß: „SCHWARZ-ROT-GEIL“ mit „GRINSI-KLINSI“. Nun hat die BamS am vergangenen Wochenende neue Dimensionen der Gaga- ‑Kultur erklommen.
Meine Lieblings-Schlagzeile des Jahres lautet: „NUDEL SCHLÄGT DUDEL“. Und es ist unschwer zu erraten, dass es sich hierbei um einen Spielbericht zum Sieg Italiens in Glasgow über Schottland handelt. Schade, dass sich die Kollegen soviel Blödel-Potential meist nur trauen, wenn es um Fußball aus dem Ausland geht. Sonst hätte gerade diese Woche doch soviel Möglichkeiten zum Überschriften-Schwachsinn eröffnet. Mein Vorschlag zum Scharmützel zwischen Oliver Bierhoff und Rudi Völler, bei dem der DFB-Teammanager mehr Mut zu einer einheitlichen Spielweise in der Bundesliga forderte und der Ex-Teamchef zurückkeilte: „Brasilianische Spielweise einfordern mit Füßen aus Malta, das geht eben nicht.“ lautet: „EIN BÖLLER VON VÖLLER“ oder „RUDI STRAFT BUBI“. Oder wie wäre es hiermit „MINI-PLI FEUERT AUF OL-LI.“ Zugegeben, ein bisschen albern. Vielleicht „CHEF VON BAYER SCHICKT BIERHOFF ZUM GEIER!“. Na ja, man muss es schon können. „KÄTHE VERSCHLUCKT GRÄTE“. Bild, hilf!
Versuchen wir es doch mal mit einer anderen Causa. Zu Huub Stevens Abschied von Hamburg zum PSV Eindhoven am Ende der Saison wäre eine Headline denkbar im Stile von: „HOVEN STATT HAFEN“, „HUUB: GENEVER SÜßER ALS JEVER“ oder etwa „HUUBEN WIE DRÜBEN – WIR VER-STEVENS NICHT“. Alter, das macht wirklich Laune, auch wenn mir schon klar ist, dass ich noch weit von der Perfektion der Balken-Männer bei Bild, Express und Abendzeitung entfernt bin.
Probieren wir es doch mal mit einem klassischen Boulevard-Thema, zu Hoeness Wutanfall gegenüber den Bayern-Stehplatz-Fans. Da könnte man titeln: „SCHNAUZE STATT PLAUZE“ als Anspielung auf die Vorlieben für Weißbier im Block. Oder gemünzt auf Hoeness‘ Ausspruch „Wer glaubt ihr eigentlich alle, wer ihr seid? Das ist doch populistische Scheiße. Für die Scheißstimmung seid ihr doch zuständig und nicht wir.“ ließe sich texten: „ULIS KOT-WORT AN DIE FANS“, „HOENEß: KEIN BOCK AUF DEN BLOCK“, „HOENEß MACHT DIE ROTEN BRAUN“ oder intellektuell angehaucht: „HOENEß’ KURVENDISKUSSION“.
Wie sehr wir uns manchmal sehnen, in großen Buchstaben dünnes Papier mit unvergesslichen Slogans zu bedrucken! Es wird Zeit, einfach mal „Danke“ zu sagen, an die gegelten Jungs überall in den Boulevard-Redaktionen, die niemals schlafen, immer auf Empfang sind und die Welt so kühl und einfach in schwarz und weiß einteilen. Ich möchte nicht mit euch tauschen, aber ich bin froh, dass es euch gibt. Denn Ihr seid der Turbo unter dem Hochgeschwindigkeitszug des Fußballbusiness. Hier mein kleiner Gruß an Euch und mein Kniefall vor Eurer Kunst, geschrieben in kurzen Worten und großen Lettern: ”NONSENS STATT KONSENS“, ”BLÖDEL, DU DÖDEL“ „CLAIM BEATS BRAIN“ oder schlicht: „QUATSCH SCHLÄGT KLATSCH!“ DANKE.
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